Der Kieler Tatort wollte ganz viel und erreicht leider nur sehr wenig. Dabei las sich die Inhaltsbeschreibung sehr interessant: Ein aktueller Politskandal an der Waterkant um einen schwulen Minister, dessen Ursprünge in Barschels Badewanne zu finden sind. Warum nur hat das nicht geklappt?

Es war an der Zeit, das politische Schleswig-Holstein mal zum Mittelpunkt eines Borowski-Tatorts zu machen. Seit Jahren ist das nördlichste Bundesland für seine großen und kleinen Skandale im Politikbetrieb bekannt. Zuletzt war es eine Affäre um die Liebe eines Ministerpräsidenten zu einer Minderjährigen, die die Bewohner des flachen Landes in Atem hielt. Der eigentliche echte Ursprung aller Affären aber geht zurück auf Barschel und dessen bis heute nicht restlos aufgeklärten Todesumständen in einer Genfer Badewanne.

Drehbuchautor Eoin Moore, verantwortlich für die zuletzt großartigen Polizeirufe, hat mit besten Absichten einen Krimi-Eintopf gekocht, bei dem eben jene Badewanne eine nicht unbedeutende Zutat ist. Die historische wurde dafür vermengt mit einer fiktiven aktuellen Affäre, die sich um einen Kieler Minister (wulffesk, und deshalb gut: Thomas Heinze) dreht, der eine geheimgehaltene Liason mit einem Romanautor namens Dirk Sauerland unterhielt, der wiederum tot auf seinem Segelschiff aufgefunden wurde und damit den Anlass für die Ermittlungen von Hauptkommissar Borowski und IT-Expertin Sarah Brandt. Obendrein spielen auch noch die (Polit-)Medien eine Rolle, denn Sauerland, der angeblich vor seinem Tod sein Coming Out geplant haben soll (was ja nun wirklich auch allerhand wäre! Ein Romanautor: Schwul!), war mal mit der kurzhaarigen Version von Sandra Maischberger liiert. Das ist alles irgendwie ein bisschen viel und vielleicht krankt genau daran dieser irgendwie kraftlose Tatort.

In einer Nebenrolle: Uwe Barschel

In einer Nebenrolle: Uwe Barschel

Denn man kann in diesem Fall nicht alles auf die Kommissare schieben, auch wenn Axel Milberg und Sibel Kekilli für mich bis heute nicht richtig zu einer interessanten Chemie gefunden haben. Klar ist es albern, wie Borowskis junge Wilde mit ihrer Barschel-App durchs Beau-Rivage umherirrt. Natürlich ist die WG-Situation von Boworski und dessen Chef Schladitz (Thomas Kügel) in seiner sechzehnten Auflage nicht mal mehr ein Lächeln wert. Und sicherlich gab es schon bessere schauspielerische Leistungen als das schreihälsige Geständnis in der Waschanlage durch TV-Moderatorin Ulla Jahn (Marie-Lou sellem). Aber an diese Unzulänglichkeiten ist man als Tatortseher gewohnt.

Es ist dann doch das Drehbuch, das sich einfach zu viel vorgenommen. Weniger – und dafür intensiver – wär mehr gewesen. Stattdessen reißt dieser Tatort zu viele für sich genommen interessante Geschichten und Millieus an und auf, um sie dann nur halbherzig zu erzählen bzw. zu beschreiben. „Der freie Fall“ gleich einer Nummernrevue, der die Pointen fehlen. Sehr schade. Da wäre mehr drin gewesen.

(4/10)

/Daniel Bochow

Tatort Kiel
„Borowski und der frei Fall“

Ansehen (Mediathek)
Regie: Eoin Moore
Buch: Fred Breinersdorfer und Eoin Moore
mit Axel Milberg, Sibel Kekilli, Thomas Heinze und Marie-Lou Sellem

Erstausstrahlung: 15.10.2012

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