Der Hip-Hop steckt in der Krise. Mit Hirn versorgte Beats werden immer häufiger zur Ausnahme. Eine von ihnen ist Kanye West.
Huch? Hip Hop? Ja – das muss auch mal sein. Denn es gibt eine gute Nachricht: Der intelligente Hip Hop ist zurück. Jay-Z-Produzent Kanye West hatte mit seinem Erstling „College Dropout“ für Furore gesorgt, sein neuer Sound entwickelte sich in kurzer Zeit zum State-Of-The-Art im US-Hip-Hop. Das Markenzeichen waren die gepitchten Soul-Vocals, die zwar einerseits eine Innovation darstellten aber andererseits innerhalb kürzester Zeit wahnsinnig auf die Eier gingen.
Aus produktionstechnischen Gesichtspunkten jubeln Fans das Debut trotzdem als Meilenstein und mit „All Falls Down“ und dem integrierten Lauryn Hill-Sample zeigte sich, welch große Kunst West da fabriziert – der beste Track des Albums und genau dieser verzichtete als einziger auf den Pitch-Trick.
Wie dem auch sei. Kanye musste auf seiner zweiten Platte beweisen, ob Kontinuität und Innovation miteinander vereinbar sind. Mit „The Late Registration“ ist ihm das eindrucksvollst gelungen. Die Platte strotzt nur so von fetten Beats und vor allem vor unglaublich catchy Samples. Beinahe jeder Track auf dem Album basiert auf einer Legende. Nun ist das für sich genommen keine große Kunst. Und trotzdem schmeckt „The Late Registration“ in jeder Sekunde mehr nach einem 5-Sterne-Dinner als nach Konserven.
Nehmen wir „The Sky“, das auf Curtis Mayfields „Move On Up“ basiert. Der Song büßt in dieser Coverversion nichts von seiner enormen Energie ein, mehr noch: Die treibenden Beats und der flüssige Flow Lupe Flasos lassen in Verbindung mit den schreienden Horns des Originals eine neue Wucht entstehen. Im sonderbar unkontrolliert fiebrigen „Addiction“ zeigt Kanye dann, dass er tatsächlich auch selbt richtig gut rappen kann. Gott sei Dank verzichtet Kanye während des ganzen Albums auf sein Markenzeichen, no Schlumpfsounds on this record. Anscheinend lagen Kritiker des Erstlingswerk falsch, als sie die Pitch-Vocals als die Brandmarke Wests ausmachten.
Die Wahrheit ist, dass Kanyes Markenzeichen seine Wandlungsfähigkeit ist. Und sein Perfektionismus. Auf „The Late Registration“ gibt es nie langweilige Momente. Und genau das passiert eigentlich in der Regel, wenn man in den aktuellen Hip-Hop-Sound Amerikas reinhört. Keiner, pardon, Kanye kann es besser.
Bewertung: 9/10