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Wem Coldplay zu durchgenudelt, Travis zu altbacken, A-ha zu poppig und Radiohead zu kompliziert war, der ergötzte sich vor zwei Jahren an der Band ohne Gitarre. Jetzt ist sie zurück. Mit Gitarre. Aber die ist gar nicht das Problem.

Sicher, man hat es schwer, wenn man gleich zu Beginn der Karriere ein derart lupenreines Album ablegt, wie Keane es 2004 mit „Hopes And Fears“ gemacht haben. Obwohl: So lupenrein war das Album als ganzes eigentlich gar nicht: Im Grunde bestand die Platte aus nur zwei Stücken: Einem schnellen und einem langsamen. Trotzdem verstand das aus Sussex stammende Trio, wie man kaschiert, das man mit dynamischen Mitteln jetzt eher mittelmäßig ausgestattet ist: Sie setzten atemberaubend schöne Melodien dagegen. Ob schnell („Somewhere Only We Know“, „This Is The Last Time“) oder langsam („Sunshine“, „Bedshaped“) – Keane präsentierten musikalische Kalorienbomben: süß, unglaublich süß. Und sündhaft cremig. WIe eine Kandiskirsche setzte sich die hohe, zerbrechliche Stimme von Tom Chaplin auf die Melodientorte. Das war wirklich lecker.

Nun, zwei Jahre und etliche Preise später treten Keane nun ihr eigenes Erbe an. Doch schon wenn man die Single zu „Under The Iron Sea“ hört, merkt man, dass da was nicht stimmt. „Is It Any Wonder“ wackelt monströs und laut los, als ginge es hier darum, ein komplett gefülltes Wembleystadium zu füllen. Und das passt irgendwie schon mal nicht ganz zum eigentlich Charme der Drei. Noch etwas anderes passt nicht in den Sound: Richtig: Die Gitarre! Bei all den Vergleichen mit Tränenpopgrößen wie Travis oder Coldpülay konnten sich Keane ja 2004 wenigstens immer darauf berufen, als Non-Guitar-Band ein höchst ausgefallenden USP ihr eigen nennen zu dürfen. Nun wird der geopfert – und man ahnt, die Jungs haben sich Gedanken gemacht. Wollen dem Publikum nicht das geben, was es will, bzw. was es gewohnt ist zu wollen. Sie wollen vielleicht überraschen.

Das ist ja perse ein netter Gedanke. Man müsste sich an den Stadium-Rock-Sound erstmal gewöhnen, aber vielleicht würde es ja klappen mit Keane und dem Laut. Doch leider Gottes kamen Keane anscheinend nur soweit in ihrer Zielformulierung, irgendwas anders zu machen. Was genau blieb wohl undefiniert.

Anders ist nicht zu erklären, dass „Under The Iron Sea“ eine fast durchgängige Enttäuschung ist. Die Single sticht da noch heraus – mit einem ünbrigens fürs Album völlig untypischen Sound. DIe meisten Songs werden von Dutzenden Streicherebenen begleitet, es wabert ziellos und überall, der Kitsch, den man sich bei „Hopes And Fears“ noch gern gefallen hat lassen, wird erst greifbar und entpuppt sich dann als klebrig. Nehmen wir „I Had A Dream“: Was noch fast kernig-keanig beginnt, suppt schon in der zweiten Minute in unendlichen Rauchschwaden, undefiniert und null ergreifend. Auch beim wippend beginnenden 3/4-Takt-Schunkler „Broken Toy“ fällt einem das Bild der Kandiskirsche wieder ein. Nur dramatischer: Als ob er Angst davor hat in zu viel Sahne unterzugehen und seine Sicht- und Hörbarkeit zu bekommen jappst Chaplin – zweifelsfrei ohne Chance – gegen die ihn erdrückenden Synthie-Wände an.

Man fragt sich schon, warum das alles. Das Konzept mit der relativ minimalistischen Instrumentation, der tränenreichen Fistelstimme und hübsch trockenden Grooves wär doch sicher auch ein zweites Mal aufgegangen. Es drängt sich ein wenig der Verdacht auf, dass es auch genau so geplant war. Mit „Hamburg Song“ befindet sich ja auch noch ein Song der alten Machart auf dem Album. Woran es aber fast allen Songs mangelt, ist die große Geste, der Zauber der Melodie. Selbst in erfolgserprobtem Sound-Gewand würde dieser Mangel sichtbar werden, vielleicht noch viel stärker, als wenn man ihn mit viel viel Geräuschkleister verdeckt.

Halten wir es mal mit den Worten von Chaplin selbst und hoffen Keane nimmt sich den Titel „Try Again“ einfach zu Herzen. „And Take Your Time“ würd ich als gut gemeinten Ratschlag da noch zu setzen wollen.

Bewertung: 3/10

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