Wenn die Winde rauher werden. Schon gut ein Jahr alt, aber genau das richtige, wenn es in Berlin mal wieder 5 Grad kälter ist als in Restdeutschland: David Sylvian.
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Der Herr ist eine Legende. David Sylvian gründete Ende der 70er Jahre eine Band namens Japan, die in England niemand hören wollte, weshalb sie in Deutschland unter Vertrag kam und in schlüssigerweise in Japan ihre größten Erfolge feierte und sich nach fünf Jahren wieder trennte.

Das ist alles sehr sehr lang her, der Eigenbrötler Sylvian verstand Musik immer als etwas, das vor allem abseits der Charts und des Mainstreams interessant wird. Wenn man diesem Verständnis mal folgt, dann ist sein 2005er Album „Snow Borne Sorrow“ eine Offenbarung. Mit einer Scharr von talentierten Studiomusikern gelang ihm ein stilsicheres Meisterwerk, dass ruhelos, flimmernd und gefährlich über eine Stunde lang in den Bann zieht.

Da wäre zum Beispiel das drohende „Wonderful World“ – ein dämmernder Dreivierteltakt, gespickt mit dezenten Trompeten und Posaunen, zu dem es scheint als tanzten die Figuren der Nacht. Innerhalb nur weniger Sekunden schafft Sylvian eine äußerst sonderbare und gleichwohl tot-schicke Atmosphäre, die sich über das ganze Album wie ein schwarzes Nachtgewand legt.

Etwas eingängiger beginnt „Darkest Bird“, das in seinem Refrain sogar ein wenig an Depeche Mode erinnert. Aber dann gibt es da den Bruch, kruz bevor man denkt es sei Pop, gibt es dieses sagenhafte Trompetensolo, das erst unsicher und verhalten, dann immer mutiger und extrovertierter klingt – bis es wieder mit dem Refrain verschmilzt und der Song seinen Höhepunkt erreicht. Übrigens war es das Anliegen des Komponisten, seine Gefühle vom 11. September in seine Texte und seine Musik auf diesem Album unterzubringen. Es ist ihm gelungen. Diese Fassungslosigkeit, die unbekannte Bedrohung und die tiefschwarze Traurigkeit, die er in „The Day The Heaven Stole Earth“ zeichnet, ist berührend, nicht beruhigend.

„Snow Borne Sorrow“ – der passende Soundtrack, um den November richtig zu würdigen. Kalt, kark, knisternd.

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