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November. Ein grauer unbequemer Monat. Genau so grau und unbequem war auch die Akquise möglicher Anwärter für den aktuellen Sampler. John mit seiner Indie Playlist – normalerweise Garant für 6 bis 10 zwingende Stücke – hatte bei seinen 100 Tracks größtenteils sehr an den Nerven zehrendes Pling Pling und Plong Plong: An Bedeutungslosigkeit erkrankte und unmotivierte Liedchen, die alles taten, aber nicht vom Hocker rissen.

Als Recherche-Instrument Nummer eins schälte sich mal wieder die Hype Machine heraus. Und ihr ist es auch zu verdanken, dass der Opener in diesem Monat ungewohnt unaufgeregt daher kommt. Nur ein Junge und seine Gitarre. Stimmungsvoll kann man das nennen. Die richtige Prise Naivität und der nötige Schwung kommt postwenden von der wegen ihrer Naivität so liebenswerten Band „Attack In Black“.

Ähnlich unbefangen gehen ja Cajun Dance Party ans Werk. Ihr Album „The Colorful Life“ ist eines dieser stetig wachsenden. „Amylase“ ist eine Hymne, die eigentlich der Headliner auf dem aktuellen Kooks-Album hätte sein müssen (wunderbar in die Höhe schwingender C-Teil würde ein Nerd da behaupten).

Dagegen klingt Duncan Lloyd schon routinierter. Sein Album „Seeing Double“ ließ sich erfolgreich für einen dritten Track ausquetschen. „Seven Letters“ ist beim ersten Hördurchgang irgendwie an mir vorbeigegangen. Viel verspielter und unbändiger siedeln sich ganz wunderbar die „Stars and Sons“ an. Falsettgedang und Uhhs und Ahhs begleitend aufgeregt „In The Ocean“ – mit Bläsern und allem.
Als Brücke zu den Bloodsugars dienen die viel zu selten eingesetzten Handclaps. „Bloody Mary“ wird freundlicherweise von rcrdlbl.com zum Kennenlernen bereit gestellt. Komplett kaufen muss man sich natürlich Sparkadias Album „Postcards“. Denn mit „Jealousy“ haben sie’s zum x-ten Mal auf die Spreewelle geschafft. Ganz ähnliche sphärische Melancholie – ohne dabei auf einen Hitcharakter zu verzichten – spendet die Band Paper Route aus Tenessee.

Die leichte Nachdenklichkeit wird durch Tiger Lou schließlich in tiefe Stirnfalten gelegt. Das Herz verkrampft fast bei seinem bittersüßen „Trust Falls“. Und: Man mag es kaum glauben: Dieser Track ist im Vergleich zu den restlichen Titeln der aktuellen VÖ „A Partial Print“ mit den meisten Glückshormonen ausgestattet.

Die Faust ballt dann auch Snow Patrol. Und zwar nicht frustriert sondern siegesgewisst in weite Höhen. Stadionrock! „Take Back The City“ aus dem mit vielen Erwartungen verbunden neuen Longplayer der Schotten will es so sehr wissen, das man fast das Gefühl hat, es hätte vorher einen Moment zu viel Zeit damit verbracht, sich zu vergewissern.Die Gradlinigkeit wird dann auch völlig zurecht gebrochen durch die australischen Boat People. Ein Stück das auf eine ganz sonderbare Hookline besteht und sich ständig windet und wendet und damit schwer zu fassen ist, aber dabei auch zu verwöhnen weiß. Mit der richtigen Portion Optimismus.

Von dem haben The All New Adventures Of Us auch eine ganze Menge. Der Firetruck bewegt sich satt und trompetig nach vorn – gepaart mit schönen Sätzen wie „I Left You Sleep with an adress by your bed, ‚cause no-one writes real letters anymore“.

Und dann sind da die Dresden Dolls. Kompromisslos hauen sie mit voller Wucht in den kurz zuvor säuberlich zusammen gezimmerten Wohlklang. „Dear Jenny“ patscht großfüßig und größenwahnsinnig dem Ende des Reigens der Seite entgegen. Das gefällt den Kaiser Chiefs. Man kann ja gegen die Kaiser Chiefs haben, was man will. Aber wenn man die Anlage aufdreht, hört man das nicht mehr. Und man muss sie aufrehen. Immediately. „Alaways Hapens Like That“ funktioniert wie ein Besuch beim Rummel. Ordentlich Rambazamba, keine Überraschung – lyrisch wie tonal – aber was bleibt ist ein zumindest kurzfristig zu verzeichnender positiver Adrenalinausstoß.

Das geht dann auch so weiter. „When will my summer ever come?“ fragen Team Waterpolo. Gute Frage. Ein bißchen zu spät gestellt, aber trotzdem sehr berechtigt. Und alles gehüllt in einem zusammengeflickten Gewandt aus klassischem Rumsbums-Indierock, Bougalou, harmonischen Kirchenchorgetue und breitem Hip-Hop. Eine gute Überleitung, um auch mal der Elektronik eine Chance zu geben.

Eine Remix-Maschine, wie sie sich wohl von vielen Indie-Künstlern gewünscht wird, um wenigstens mal mit einem Track richtig Geld zu verdienen, hat der französische DJ 25 Hours A Day im Angebot. Durch seine Dafte Punk-Mangel drückt er gleich zwei Tracks. Wer hätte gedacht, dass man zu Charlotte Gainsbourg hauchzartem Gesäusel tanzen kann, als gäbe es kein Morgen? „The Operation“ zuckelt plötzlich straight und kompromisslos über den Dancefloor und auch Phoenix „Long Distance Call“ wird entnervt.

Schließlich geht es ein drittes Mal nach Australien zu Van She. Einer Band deren Stück „Kelly“ mir in den letzten 6 Monaten bereits mehrfach untergekommen ist. Immer in unterschiedlichen Remixvarianten. Der von Breakbot hat am meisten Seele und bietet dadurch ein naheliegende Brücke zum letzten Streckenabschnitt.

Denn plötzlich zieht mal kurz der Soul ein, ein seltener Gast auf der Spreewelle. Das geht immer nur dann, wenn er nicht ganz allein kommt. Robin Thick’s Magic ist so konsequent Soul, das er für sich genommen etwas überracht. Um das verdaubar zu machen, gesellen sich direkt im An- und gleichzeitig Abschluss auch gnädige Jackson-Five Gitarren dazu. Gezupft von Jazzanova. Da scheint die Sonne. Mitten im Novermber. Ein gutes Ende für Seite Eins.

Das Team Waterpolo fragte sich ja zurecht, wo denn nun eigentlich der Sommer geblieben wäre. Die Antwort gibt es zur Eröffnung der zweiten Seite, vorgetragen von Josh Pyke. Das mach Mut. Doch so richtig entfalten kann sich die Gute-Laune-Falara-dann-machen-wir-uns-eben-den-Sommer-Stimmung nicht so recht. Denn ziemlich bald gebieten die Cold War Kids Einhalt und fragen „What You Gonna Do When Summer Ends? Out Of Money, out of friends?“ Und auch Tiger Lou spricht übel gelaunt von „Coalitions“. Und auch wenn es zunächst so klingt: Der nette Herr Kellermann covert hier nicht Sting. Sympathisch auch, dass er schon vor einem Jahr ganz du-und-ich bei Youtube eine Akustik-Version veröffentlicht hat:

Erst in der Mitte der zweiten Seite wird es versöhn- und besinnlicher. Sia und Gregory & The Hawk singen von Hoffnung, selbst im „Grey Wether“, The Chairs und die Fleet Foxes geben sich vorsichtig optimistisch und trällern sehr sehr schöne stille Songs.

Das ganze wird gefolgt von luftigem Indiepop: Attack In Black, Benny Strange und Denison Witmer antworten der Verkopftheit mit der Freude an dem Simplen.

Das Album wird schließlich in der Zielgeraden formvollendet abgerundet: Neben dem Schmuckstück „Going To Where The Tea Trees Are“ von Peter von Poehl und elektronischer Laszivität von den Headlights liegt warm verpackt das Über-Cover schlechthin. Stina Nordenstam säuselt so herrlich traurig „Purple Rain“, dass das Ohr Gänsehaut bekommt. Perfekt der Übergang dann von Elektronik zum Orchester: Heidi Happy schiebt Zweifel bei Seite und denkt, sie sei verliebt – nahtlos, dafür festlicher und mit großer Geste beschließt Duncan Sheik schließlich den November-Reigen – und zwar mit Fleetwood Macs „Songbird“! Das Original ist schwierig, die Interpreation passt.

Die Tracklist:

CD 1:

Captain Phoenix – Same Old Story
Attack In Black – Young Leaves
Cajun Dance Party – Amylase
Duncan Lloyd – Seven Letters
Stars And Sons – In The Ocean
The Bloodsugars – Bloody Mary
Sparkadia – Jealousy
Paper Route – Empty House
Tiger Lou – Trust Falls
Snow Patrol – Take Back The City
The Boat People – Awkward Orchid Orchard
The All New Adventures Of Us – Firetruck
Dresden Dolls – Dear Jenny
Kaiser Chiefs – Always Happens Like That
Team Waterpolo – So Called Summer
Charlotte Gainsbourg – The Operation (25h à Day Remix)
Phoenix – Long Distance Call (25 à Day Remix)
Robin Thicke – Magic
Van She – Kelly (Breakbot Remix)
Jazzanove – Let Me Show Ya

CD 2:
Josh Pyke – Summer
Tiger Lou – Coalitions
TV On The Radio – Love Dog
Minus The Bear – Guns & Ammo
Cold War Kids – I’ve Seen Enough
Kevin Ayers – Cold Shoulder
Sia – Soon We’ll Be Found
Gregory & The Hawk – Grey Weather
The Chairs – Aeroplane
Fleet Foxes – Tiger Mountain Peasant Song
Attack In Black – I’m Going To Forget
Benny Strange – Askewed
Denison Witmer – These Days
Ben Folds – Kylie From Conneticut
Peter Von Poehl – Going To Where The Trees Are
Stina Nordenstam – Purple Rain
Headlights – Some Racing Some Stopping
Heidi Happy – I Think I’m In Love
Duncan Sheik – Songbird