Es wird einfach nicht wärmer. Die völlig übertriebene Eiseskälte begleitete uns so unliebsam wie verlässlich in diesem Februar 2010. Und das schlägt sich auch auf die Musik nieder. Spreewelle Ausgabe 59 beginnt so wie sich das da draußen anfühlt: Menschenfeindlich, kalt, unerbittlich.
Deutschlands Vorzeigeelektroniker Modeselektor und Apparat bündelten ihre Synergien auf dem selbstbetitelten „Moderat“ – und das erschien schon im Mai 2009. Erst jetzt im nicht enden wollenden Winter 2010 macht „Rusty Nails“ Karriere auf den hörbaren Radiostationen der Republik. Ein ungewohnter Anfang – statt Bäng Bäng, mehr Klirr-Klirr. Eine Eintrittskarte aus Schwarzlicht. Nichts passt besser in diese Tage, als das.
Es bleibt kalt. Phantogramm aus New York ist ein Geheimtipp. Sie beschreiben ihren Sound als organisch-elektronisch, und das trifft es wirklich ganz gut. Dieser Tage spielen sie beim SXSW-Festival. Man wird noch mehr von ihnen hören.
Von James Yuill hat man ja schon einiges gehört. Der smarte Brite ist einer der besten Vertrter der Laptop-Singer-Songwriter-Generation. Seine Songs sind ein Hörgenuss, eine wahre Ohrenweide. Warm, weich, clever. Was ihm fehlt, ist eine Hookline. So geht es auch mit „The Ghost“. Da wird geloopt, gesampelt, gehandclaped was das Zeug hält. Aber einen Wurm in Ohr hat man nicht. Dafür die die Biene im Fuß. The New Cool mit der Selbstdisziplin bloß nicht zu aufgeregt zu sein. Es ist immer noch kalt.
[audio:http://pampelmoose.com/promos/James_Yuill-The_Ghost_(Fire%20Version).mp3]Dann langsam kommt die traditionell tanzbarere Seite der Spreewelle so langsam in Fahrt. Aber ganz analog zur Unlogik dieses Frühings heißt Heat in diesem Frühjahr bloß, dass es nicht mehr friert. Und so legt Hot Chip mit „One Life Stand“ den Soundtrack zum Handschuhe ausziehen vor. Die Jacke behalten wir aber erst mal an.
[audio:http://quietcolor.com/media/mp3/2010_2/stand.mp3]Aber dann: Tauwetter im Zeitraffer. Zum Beispiel mit der Schweineorgelversion von Justice’s D.A.N.C.E.: Hawa präsentiert das breitmäulige französische Hitwunder in lustiger Mark-Ronson-Klamotte.
[audio:http://www.chromemusic.de/wp-content/uploads/2010/03/01-D.A.N.C.E.-Justice-Cover.mp3]Zeit genug, ein weiteres Remake zu ehren. Diesmal sogar deutlich besser als das etwas langweilige Original. Lissy Trullie nahm sich Hot Chips letztjährigen „Ready For The Floor“ an. Und spätestens hier braucht man auch die dicke Jacke nicht mehr.
Der Tanzflur ist nun angewärmt. Die Band-of-the-Moment heißt Two Door Cinema Club und schwingt eloquent Phoenix‘ Lasso. Und Beat Beat Beat – erfreulicherweise aus Deutschland – zünden ihr „Fireworks“.
[audio:http://www.radarmaker.co.uk/get/twodoorcinemaclub/TDCC_PHOENIX_LASSO.mp3]Das Eis ist gebrochen. Aus Weiß wird Grün. Und die Hidden Cameras pflanzen den irrwitzigsten Ohrwurm dieser Tage:
Die Seite zwei profitiert vom Tauwetter. Die bereits zitierten Two Door Cinema Club aus Nordirland umarmen die Welt mit „Something Good Can Work“.
[audio:http://www.radarmaker.co.uk/get/twodoorcinemaclub/tdcc_somethinggoodcanwork.mp3]Aber wir wollen mal nicht übertreiben. Wirklich grün ist eigentlich noch nichts. Und so wirds erstmal melancholisch (Anuals),
[audio:http://media.libsyn.com/media/mikewentwest/05_Always_Do.mp3]dann selbstmörderisch („Big In Japan“ – eine anbetenswürdige Coverversion von Ane Brun), sinnlich (Hot Chips Interpretation von Sinead O’Connors „Nothing Compares 2 U“)
[audio:http://www.goodbadunknown.com/Media/Feb10/06%20Nothing%20Compares%202%20U.mp3]theatralisch („Requiem For A Scene“ von Basstronauts),
[audio:http://www.magnetmagazine.com/audio/RequiemForAScene.mp3]hilflos („Farewell Dear Ghost“ von Monta) und erst gegen Ende wieder versöhnlich („About Today“ von The National)
[audio:http://media.libsyn.com/media/mikewentwest/05_About_Today.mp3]Dieser Februar war eine kühle Erfahrung. Die Auswirkungen auf die Musikauswahl können sich sehen lassen, kalt muss nicht immer schlecht sein. Aber, lieber März: Ein bißchen mehr Sonne, ein bißchen mehr Wums, ein bißchen mehr Wohooo, das wär doch mal nicht schlecht, oder?
CD 1:
Moderat – Rusty Nails |
CD 2:
Two Door Cinema Club – Something Good Can Work |
Cover-Photo: Charly