Nach dem ziemlich mauen Tatort der Vorwoche, in dem die ergrauten Batic und Leitmayr nicht nur einen überflüssigen dritten Wuschelkopf zur Seite gestellt bekommen haben, sondern sich auch noch durch eine zähflüssige Standardhandlung kämpfen mussten war die Vorfreude groß auf den zweiten Fall des Düsseldorfer Psychoermittlers Faber und seiner viel zu großen Rasselbande.  Jörg Hartmann hat die Premiere als einziges Esemblemitglied glänzend bestanden – da könnte eine echte Kommissarpersönlichkeit geboren sein. Leider, leider die alte Laier: „Mein Revier“ gerät völlig aus den Fugen. Eine dritte Chance aber soll das Team noch bekommen. Aber nur unter Beachtung einiger dringlicher Ratschläge.

Die Story als solche spielt sich ziemlich unnötig in den Vordergrund. Jeder Augenzeuge des Debuts wird sich daran erinnern, dass eigentlich jede Filmminute viel zu viel Schauspieler im Weg standen. Die Hoffnung war, dass im zweiten Streich ausgesiebt oder wenigstens mal fokussiert wird. Nichts da. Die ersten gefühlten 10 Minuten des Sonntagskrimis gehören der – wie immer bei durchschnittlichen Tatorten – einerseits albernen und andererseits zähen Kriminalgeschichte.

Diesmal siedelt sie sich im von Bulgaren und Rumänen besetzten Schwarzarbeiter- und Rotlichtmillieu an. Dieses Grundsetting gesetzt will der Tatort gleich zwei Dinge auf einmal: Einerseits echt mal sozialkritisch sein. Und dann aber auch andererseits einen großformatigen  Unterweltkrimi erzählen. So überladen geht es auch in die Geschichte: In der Mordsequenz, die sehr by-the-book bereits in den ersten Minuten abläuft, wird

  1. ein Mitglied der ehrenhaften Gesellschaft erschossen, während es sich
  2. zu Bushidoesken Reimen eine Line Koks reinzieht und dabei
  3. oral befriedigt wird von einer  übrigens
  4. minderjährigen Bulgarin.

In diesem Mordarrangement äußert sich das Grundproblem des Düsseldorfer Tatorts: Hier wird immer viel zu viel gewollt und immer viel zu wenig gekonnt. Die beschriebene Szene fühlt sich dann auch nicht echt oder cool oder einprägsam an. Sondern einfach nur albern.

Genau so verhält es sich mit dem Rest vom Schützenfestzelt im WDR-Tatort. Wie schon beim ersten Fall lässt das Drehbuch das gesamte Team der Mordkommission ausführlich zu Wort kommen – wieder hört man Peter Faber, Martina Bönisch, Nora Dalay und Daniel Kossik und Jonas Zander (ja, der Gerichtsmediziner! Warum ihn nicht auch noch ausführlich vorstellen und sich in die Frau Komissarin verlieben lassen???) scheinbar exakt gleich lang über mehr oder weniger wichtige oder unwichtige Dinge reden. Was man rechnerisch als ausbalanciert bezeichnen könnte, ist erzählerisch eine Katastrophe.

Weil keiner der genannten 5 Hauptcharaktere die Chance hat, von sich zu erzählen oder Interesse beim Publikum zu wecken. Dem Zuschauer  bleibt nichts anderes, als sich an den Stärksten des Quintetts zu halten – an Peter Faber. Der aber hat eine Allergie gegen Sympathie. Und so rutscht man – zwar begeistert von Hartmanns Spiel, aber irritiert über seine unkalkulierbaren und etwas übertriebenen Wutausbrüche – an ihm ab. Und rutscht zu Boden.

Dort angekommen verliert man dann auch noch den Storyline-Faden und das Interesse am Geschehen insgesamt. Man erwacht dann erst wieder, als es die Mörderin zu entlarven gilt. Leider ist das ein Moment, in dem noch 30 Minuten zu spielen ist. Und ohne große Überraschungsmomente aber mit viel zwischenmenschlicher Laberei haben es die handelnden Ermittler dann am Ende auch verstanden und lösen den Fall. Nicht ohne noch „sozialkritschige“ Slo-Mo-Bilder zu liefern, die unterlegt mit traurigen Tönen dann auch absolut deplatziert wirken.

Ganz am Schluß gibt es dann aber doch noch einen Ruck. Faber findet in seinem Schreibtisch Fotos von dem Tod seiner verstorbenen Frau, die irgendjemand aus der Abteilung dort platziert hat und ihn damit regelmäßig zum Irrsinn treibt. Wer könnte das nur gewesen sein? Ich tippe darauf, dass es eine Sekretärin war und der neue Staatsanwalt zusammen, die in der nächsten Folge ausgiebig vorgestellt werden und dann ab sofort zur festen Besetzung des Düsseldorfer Tatorts gehören. Gemeinsam mit dem Hausmeister, der Putzdame und dem neuen Praktikanten.

Okay, der Punkt ist gemacht, wird aber gern noch mal wiederholt. Liebes WDR: Ihr habt den Hartmann. Ihr habt seine Figur des Faber. Das ist Gold. Oder wenigstens eine sehr gute Ausgangslage. Jetzt macht aber auch mal was daraus. Und: Traut Euch was! Mit dem Kommissar könnt Ihr viel mehr als die x-te Tatortklamotte herunterrattern. Konzentriert Euch auf Faber! Erzählt bitte mehr und ausführlicher von seiner Vergangenheit. Macht den Mord zur Randnotiz! Und entlasst 50% der Stammbelegschaft! Nicht weil die Schauspieler schlecht gespielt hätten. Sondern weil Ihr Ihnen sonst aus Verlegenheit oder Versehen Worte in den Mund legt, die am besten dort bleiben sollten.

 

Wertung: 5/10

Tatort Düsseldorf
„Mein Revier“

Ansehen (Mediathek)
Regie: Thomas Jauch
Buch: Jürgen Werner
mit Jörg Hartmann, Anna Schudt, Aylin Tezel, Stefan Konarske, Thomas Arnold, Robert Schupp, Matthias Komm, Adrian Can, Alexander Radenkovic, Peter Georgiev, Yusuf Erdugan, Simona The…

Erstausstrahlung: 09.12.2012

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