SPREEWELLE 174
POP
VÖ: 01.12.2020
Puh. Die 173 sollte ja eigentlich Mut machen. Die durchgestrichene Angst und so. Dann wurde es tatsächlich noch ne ziemliche Hängepartie im November. Politisch. Gesellschaftlich. Menschlich. Viel hat sich zum Monatswechsel nicht getan. Gut, Biden ist President Elect. Aber in Sicherheit wiegen können wir uns irgendwie alle noch nicht. Aber weil Schwermut nicht guttut machen wir aus der Hängepartie eine Hängeparty. Die 174 heißt POP.
Teaser
Hängeparty
Lockdown Light, Wellenbrecherlockdown, das Wiener Modell. Wir reden grade über unangenehme Dinge, die natürlich nötig sind, aber den optimistischen Blick in die Nahzukunft ordentlich verdüstern. Es ist geradezu Ideal (Pun intended), dass sich die Beatsteaks den alten Deutsche Welle Klassiker „Monotonie“ vorgenommen haben und damit die 174 eröffnen. Eh ein Supersong. Zum Glück drehen die Jungs um Peter Baumann auch gar nicht so viel am Original. Quarantänestyle-Video included.
Erstmal in die Indiedisco
Hä, warte mal: Heißt die Kompilation nicht „Pop“? Ja, heißt sie. Und wir robben uns dem Thema auch stückchenweise näher. Doch bevor es nach Plastik riecht und alle Dämme brechen machen wir einen Schlenker über den Indiepop. Und über zwei Tracks, die angenehm nach 2005 müffeln. Die etwas extraordinären Everything Everything (alles studierte Musikwissenschaftler, was man bei all dem Kommerzdrang dann doch auch immer durchhört) haben nämlich grade den Longplayer „Re-Animator“ veröffentlicht. Und als Abschlusstrack dieses mittlerweile fünften Albums gibt’s darauf „Violent Sun“ zu hören. Dabei geht es um eine herrliche banale Sache: Die letzten Momente eine Clubnacht und die pulsierenden Fragen die man sich dabei (damals vor langer langer Weile) gestellt hat: „Violent Sun is about the feeling that something terrible is approaching fast, and you want to hold on to this moment forever. It’s the last song of the night, and the last song of your life. You only have these four minutes to make it happen, so make it happen!“
Die Killers schlagen musikalisch in eine ähnliche Kerbe. Das aktuelle Album hört auf den Namen „Imploding The Mirage“ und ist so medium, hat aber mit „Dying Bread“ einen ganz großen Hit am Start. Ganz einfaches Material ist der Song textlich freilich nicht. Es geht um die Depressionen und posttraumatischen Belastungsstörungen der Frau des Bandleader Brandon Flowers. Aber auch um Treue. „My favourite line on the record is ‘I’ll be there when water’s rising / I’ll be your lifeguard’. I feel thankful for that. I want her to know that no matter what, I’m going to stay by her side and keep the promise.“
Schuhe aus
Nach diesen musikalisch schönen, aber lyrisch nicht ganz so leichten Happen, shiften wir mit Master Peace dann endlich in seichtere Gefilde. Der Künstler wird als „britischer Punk-Rapper“ geführt und bietet tatsächlich eine sehr farbenfrohe Mischung an Genres in seinen Songs an. Erinnert stark an die Vielseitigkeit eines Andre 3000. Ein bisschen aus der Reihe fällt im Spotify-Repertoire der Song „Love Bites“. Extremely fluffy. Und extremely eingängig. Mit ähnlicher Lässigkeit gehen Cassia bei „Don’t Make A Scene“ zu Werke, eine Art Antwort auf die dringlichen Lyrics der Tracks 2 und 3.
Jetzt aber: Pop!
Und nun zur Pop-Sektion, die dieser Kompilation ihren Namen gibt. Irgendwie war und ist es an der Zeit, wenigstens musikalisch der allgemeinen Stimmung Paroli zu bieten. Wer kann das besser als unsere Lieblings-Tik-Tok-Benee? „Kool“ heißt ihre Werbemaßnahme für das gerade erschienene Debutalbum „Hey U“. Nicht ganz so zwingend wie die Übersingle „Supalonely“, aber immer noch ziemlich gut für Teeniepop.
Mit Teeniepop hat Kylie nun wirklich nichts mehr am Hut. Die Gute ist 52. Bringt aber 2020t ein Album das ganz nonchalant „Disco“ heißt und auch so klingt. Fett produziert und extrem „ohrwurmverdächtig“, wie es im deutschen Pressetext wahrscheinlich heißt. Echtes Balsam für die kontaktreduzierten Seelen. Bestes Beispiel: Die Powerplastik-Nummer „Real Groove“.
Geht nicht ganz ohne
Roosevelt, LUI HILL, BLINKER… Es bleibt sehr poppig auf der Spreewelle. Und doch wird sie eingerahmt von der unvermeidlichen Melancholie dieser Tage. Wer kann das besser in Töne fassen als The Notwist? Da steht ein neues Album an. Und „Where You Find Me“ ist ein säufzender Vorgeschmack.
Cover Location: Büsum.