SPREEWELLE 181

ON THE EDGE

VÖ: 31.08.2021

Uff Kante jenäht? Könnte man fast meinen, wenn die Spreewelle das erste Mal seit vielen, vielen Monaten so pünktlich ist wie die Maurer. Und ja, ein wenig chaotisch klingt die Mische schon. Aber das soll so.

Was dieser Mensch auf dem orangenen Hintergrund da macht – außer eine ausgesprochen gute Figur? Müssta den Newsletter abonnieren, um das zu verstehen. Aber: Hier seid Ihr richtig, wenn’s um die Musik geht…

NEVER
MISS A
THING!

So fresh wie damals: Die Wombats

So ein bißchen bin ich es ja leid. Da werden einem aufgrund des Hörverlaufs und wahrscheinlich in Kombination mit komplizierten Alterskohortenalgorithmen immer wieder Bands vorgeschlagen, die hauptsächlich das 20-Jährige Bestehen Ihres einen großen Albums feiern und sonst wahrscheinlich grad wenig zu feiern haben. Standardmäßig taucht man dann ab in den Katalog und schwelgt in der guten alten Zeit. Dass die Helden der Jugend auch neue Musik veröffentlichen? Aha, ganz nett, aber spiel doch noch mal den Hit, wo ich damals im Kaffee Burger…

Eine wirklich Überraschung sind da die Wombats Wombats. Mit denen man ja immer zu Joy Division tanzen will. Die aber auch einen neuen Track draußen haben, der genauso frisch klingt wie beim ersten Kontakt mit den Beutelsäugetieren. „If You Ever Leave, I’m Coming with You“ heißt der und Herz macht so Bumm-Bumm. Nicht nur, aber auch weil es darin heißt „Get Out Of Bed, Stop Listeing to Radiohead“.

Selbes Tempo, selber „Ist-mir-doch-egal-00er“-Indiepop-Sound: Spector. Auch schon 18 Jahre her, ihr Debut. Aber das 21er „Bad Summer“ mit all seiner meteorologischen Vorahnung kann zu überzeugen.

Besser produziert und vor allem ausgestattet mit einem der knackigsten Hooklines des Jahres 2021: Varley aus Berlin mit „Misery“. „Don’t Blame Me Now…“ Schon wieder viel Bumm-Bumm im Ohr.

Pop: Dua Lipa, Honne, Weeknd

Ein wohlfühliges Indiepop-Arrangement also gleich zu Beginn. Weil der nahende Herbst unsere zerbrechlichen Gemüter so kalt erwischen könnte, verzichten wir auf Experimente und es geht weiter mit „gutem Pop“ und mit drei Tracks, die nicht nur weltweit ordentlichen charten, sondern auch noch wirklich Bock machen. Spreewelle Debütantin Dua Lipa mit „Levitating“, Evergreen Jungle mit dem hastigen „Romeo“ und schließlich The Weeknd. „Take My Breath“ ist die Vorankündigung auf das neue Album. Ja, schon wieder ein neues Album von The Weeknd. Quantitativ kann man Abel Makkonen Tesfayes nix vorwerfen. Und qualitativ auch nicht. Eine sehr solide Nummer.

Orla Gartland, IDER

Das Album des Monats kommt von Orla Gartland aus Irland. Folgerichtig ist sie gleich zweimal auf der 181. Ausgabe der Spreewelle vertreten. Man liest zwar immer Vergleiche mit Phoebe Bridges, aber das kann ich nicht ganz nachvollziehen. Was Gartland auf ihrem ersten Album „Woman On The Internet“ da raushaut ist viel bunter, knalliger und extravaganter als das, womit Bridges auf ihrem Debut im letzten Jahr die ersten Plätze der Jahresbestenlisten verdient hat.

Ebenfalls erfreulich anders klingt IDERs Vorankündigung für ihren zweiten Longplayer „shame“. Der Song heißt „cbb to b sad“ und schon nach 20 Sekunden war klar, dass er auf die Augustwelle gehört.

Rikas, Some Sprouts, Burkini Beach, Slut, Bodi Bill

Nachdem in den letzen Monaten der deutschsprachige Anteil an der Spreewelle-Playlist immer größer geworden ist, können wir uns im August über fünf englischsprachige Beiträge freuen, die von deutschen Interpreten stammen, aber denen man ihre Herkunft im besten Sinne nicht anhört. Ja, das klingt bescheuert. Das klingt nach vorauseilendem Gehorsam. Deutsche Bands KÖNNEN ja nur scheiße klingen. Aber: Das muss man tatsächlich dazu sagen, damit man Acts wie Rikas nicht als „Gute Laune Band“ missversteht (danke, Stuttgarter Zeitung) und damit das Genre, in dem Some Sprouts aus Regensburg unterwegs sind, nicht als „Gute Laune Rock“ beschrieben und verstanden wird (danke, Westdeutsche Allgemeine Zeitung).

Zwischenfazit kurz vor Schluss: Deutscher Indiepop funktioniert ziemlich gut. Regionaler Kulturjournalismus – eher nicht so.

On The Edge

Zu guter Letzt noch die Kreis-Schließen-Bewegung. Auf Seite zwei versteckt als Track 5: Der Song des Monats. Der kommt von Asgeir aus Island. Nicht immer ging ich d’accord mit seinem Werk und seiner Masche. Aber: die neue EP, die bereits 2019 entstand, gibt eine neue Richtung vor. Eher klassisches Singer-Songwriting, als diese dumpfbackige Kombi aus Mellow Electro Beats und romantischer Kopfstimme. „On The Edge“ erweitert vielsinnig den Geräuschraum. Schlau und simpel zugleich. Absoluter Anspieltipp.

Cover: Spreewelle, Photocredit: Unknown, Location: Haus der Kulturen der Welt.

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