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Laube statt Laub. 

SPREEWELLE 190

IT’S A MOOD

VÖ: 03.08.2022

Hektik in der Schlussredaktion. Die 190. Spreewelle war fix und fertig. Und dann platzte Lizzo mit ihrem neuen Album herein. Nach einigen schlaflosen Nächten und intensiven Mitarbeitergesprächen gibt es nun zum halbrunden Geburtstag eine Double-A-Side-Spreewelle. Noch nie war mehr Pop. Noch nie war mehr Party.

NEVER
MISS A
THING!

Lizzotomania

Wenn man sich einmal die Erlaubnis gibt, auf sämtliche Kredibilität zu pfeifen. Wenn man nachweislich aktuellen Pop spielt, aber alles verdächtig nach 60s und 70s Disco klingt und wahrscheinlich nichts mit dem zu tun hat, was die Kids hören. Kurzum: Wenn man das auflegt, was Spaß macht. Das ist das Motto für den fast 10-Tracks-andauernden Opener. Garantiert ohne Tempiwechsel. Zu verdanken ist das unter anderem Calvin Harris, der gleich für zwei Songs der Popprologs verantwortlich zeichnet. Einmal mit unerschütterlichen Dua Lipa (und dem wirklich grandiosen Sommerhit „Potion“) und einmal in der nicht wirklich überraschenden Kollaboration mit, ja, Justin Timberlake und Pharell Williams.

Das stand da alles erst. Und dann so ca. eine Stunde bevor ich die 190 raushauen wollte, kam die neue Lizzo-Platte raus. Darauf enthalten ein Track, der mich sowas von mitgenommen hat, dass die gesamte 190 umgeworfen wurde. Und sogar die Frau der Stunde selbst musste Platz machen für diesen Song. Ihr aktueller Sommerhit „It’s About Time“ ist also verschoben auf die vielleicht bald erscheinende Follow-Up-Double-A-Side-Party-Welle. Denn das hier hat genau den Sound, den wir grad brauchen.

Mit diesem supercleveren Mix aus 80s-Nostalgie und Sommerdisco war es das erst mal mit dem roten Faden für die Seite 1. Also Umsatteln: Starker Frauen-Pop auf ganzer Linie. Mit Club Yoko an Startnummer 2. Die haben erst rund 50 Tausend monatliche Spotify-Hörer und sind im Vergleich deshalb noch so etwas wie ein echter Geheimtip. Geheim ist allerdings nicht die Rezeptur von „It’s A Mood“, das gleichzeitig die 190. Spreewelle ihren Titel leiht. Der 02:30er Track klingt mächtig-verdächtig nach „Juice“ von… Ihr ahnt es schon. Wurscht.

Leichtfüßige Luftnummern

Der Discodrang mischt sich anschließend für eine kurze Weile mit leichtfüssiger Luftigkeit. Das kann kaum jemand besser als Chromeo, die stark anfingen, um dann stark zu nerven. Die Kollaboration mit Blu DeTiger ist da eine sehr willkommene Rückkehr zu alter Stärke. Ebenso federleicht über allem schwebend:  Willow Smith. Die Tochter vom Oscar-Ohrfeiger hat schon vor ein paar Jahren „Wait A Minute!“ veröffentlicht. Der Song ist aber dank Tiktok immer noch allgegenwärtig und fügt sich prima in die Setlist.

Mal die Dua Lipa riskieren

Selbst die Wortwitze entziehen sich in diesem Monat der Nivauprüfung. Entschuldigt. Bevor Lizzo alles durcheinander gewirbelt hat, war sie die eigentliche Nummer 1. Dua Lipa passt eh ganz hervorragend in dieses tabulose Popfeuerwerk. Bei der Single „Potion“ war Calvin Harris an den Reglern. Und der regelt ja eigentlich alles immer ganz gut. Tolles Intro, bei dem der smoothe Groove erst langsam in Fahrt zu kommen muss, perfekte Melodie und insgesamt ein sehr angenehmer Pool-Martini-Style.

Lizzo, Latto – Tometo, Tomato

Genug in der Sonne gelegen und von heißen Sommernächten geträumt. Jetzt geht’s wieder ab in die Disco. Is‘ aber auch stressig, so ein Tag am Meer. Im selben 80’s Outfit wie der Opener präsentiert sich Lucius‘ „Dance Around It“ – übrigens unterstützt von keiner geringeren als Sheryl Crow. Latto (die ebenfalls eine Reihe Ähnlichkeiten mit Lizzo hat) vergeht sich anschließend in „Big Energy“ recht frech an Maria Careys „Fantasy“ und Diana Ross bekommt Indie-Schützenhilfe von Tame Impala und PNAU (ja, it’s Minion Season).

Wir müssen über Beyoncé reden

Aber vorher freuen wir uns über eine ganz andere Rückkehr: Pharell Williams hat mal wieder mit Justin Timberlake paktiert. Halsey seuselt die Hookline und – ja schon wieder – Calvin Harris zerrt die ganze Nummer in die 70er. Weniger Funk, mehr Disco. „Stay With Me“ referenziert sich zu Tode, benutzt dabei aber gut abgehangene Sounds.

Wollten wir nicht grad über Beyoncé reden?

Stimmt. Also: Ganz anders als im gut bekannten Pharell-Universum sieht es bei Beyoncé aus. Ihr neues Werk heißt „Renaissanse“ und – um es vorsichtig zu sagen – es braucht ein paar Anläufe. Die Vorabsingle „Break My Soul“ ist ein gutes Beispiel. Na klar wird auch hier zitiert. Aber die Zitate waren in der bisherigen Pophistorie nicht wirklich zitierenswert. Die Neunziger – und zwar ihr etwas hässlicherer Teil – scheint die neue Fundgrube zu sein, in der die erste Garde der Popproduzenten wühlen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Dieses alberner Megafon-Gehabe (hört man auch am Ende von Fergies Glamarous, was auch schon wieder ein paar Jahre auf dem Buckel hat, aber seinerseits zitiert wird von Jack Harlow in First Class). In seiner stumpfen Eintönigkeit aber auch irgendwie anziehend.

Wie eingangs erwähnt: Dieses mal müsst Ihr die Platte nicht umdrehen. Seite 2 macht nahtlos weiter mit hemmungsloser guter Laune. Nur eine Ballade hat sich als letzter Track schlecht versteckt.