Okay, egal, was für ein Tatort gestern gelaufen wäre, er hätte es schwer gehabt. Denn nach dem grandiosen Polizeiruf der letzten Woche, in dem fast alles gestimmt hat, war der Vergleichswert plötzlich auf hohes Niveau gesetzt, eingerastet zwischen „kurzweilig“ und „hoch unterhaltsam“. Und dann kam Frau Blum.
Gut, Eva Mattes kann man viel anlasten. Diesen misslaunigen Gesichtsausdruck zum Beispiel, zu dem im Vergleich Angela Merkel ständig vor Glück zu strahlen scheint. Diese penetrante und unangenehm sich überschlagene Stimme zum Beispiel. Oder auch den Umstand, dass man sich über eben jene Stimme auch noch zu selten aufregen kann, weil im Default-Modus die Mattes stets betrüblich monoton herummurmelt, wenn sie überhaupt was sagt.
Aber wer weiß, vielleicht kann die Mattes auch ganz anders. Wir werden es im Bodensee-Tatort zumindest nie erfahren, denn das Grundsetting erlaubt ihr keine Emotion, die eine andere ist, als mütterlich bestürzt zu sein (und wer mag schon bestürzte Mütter?). Ein sehr kleiner Raum, in dem sich die Figur der Frau Blum da bewegen muss. Lieblos stellen ihr die Drehbuchautoren abends ein Glas Rotwein und ein paar Gummibärchen auf den Schreibtisch (Mutti macht’s sich schön) und unglaubwürdig lassen sie sie am nächsten Morgen an selber Stelle erwachen (Mutti macht sich Sorgen).
Scheinbar hat man eingesehen, dass der Kollege Perlmann (Sebastian Bezzel) ein ziemlich schwach gezeichneter Charakter ist, der die dämmernde Frau Blum auch nicht beleben kann. Und deshalb gibt es in diesem Bodensee-Fall zur Abwechslung mal einen wenigstens mit ein paar Ecken beklebten Gegenpart zur Frau Komissarin. Das Schicksal – und wohl auch die Politik der Sendeanstalten – will es, dass Mutti Blum und Schwiegersohn Perlmann gemeinsam mit dem Mattheo Lüthi ermitteln müssen, einem Eidgenossen mit geheimdienstlicher Vergangenheit. Dargestellt von Roland Koch (nein, nicht dem Politiker) gerät Lüthi durch seine „eigenwillige“ Ermittlungsmethoden immer wieder mit Mutti aneinander. Geschrieben klingt das aber heftiger als gesehen. Denn im Film raunzen sich die zwei nur kurz am Telefon an, um dann recht nüchtern festzustellen, dass man scheinbar gegensätzliche Auffassungen über einige Dinge hat.
Die Konstellation zwischen den Ermittlern reißt einen also, vorsichtig ausgedrückt, nicht vom Hocker. Die Figur des Lüthi wedelt zwar etwas erzählerischen Staub auf, doch der verfliegt schneller als man erwartet, dass sich der immerhin fast tatsächlich wahrnehmbare Duft seines billigen After Shaves verflüchtigt. Denn der silberbekettete Mel Gibson auf schwizerisch ist – das drängt sich schon nach seinem zweiten gesprochenen Satz auf – ziemlich fad. Statt verrückte, unvorhersehbare und vielleicht ja mal falldienliche Aktionen zu starten, kümmert er sich so sonderbar liebevoll (aber für den Plot wieder unlogisch nachlässig) um den kleinen Moritz, dass man sich immerhin dabei ertappt, für ein paar Sekunden ihn für den potentiellen Kinderschänder zu halten.
Denn das ist das traurige Thema dieses sehr traurigen Tatorts. Der Film versucht sich dann auch noch aus Rücksicht auf die Thematik in leiser Erzählung. Bei all der gähnenden Langeweile, die sich schon durch das Aufeinandertreffen der Ermittler ergibt, auch noch betont bedächtiges, fast andächtiges Erzähltempo! Da hat man sich in der Atmosphäre leider völlig vergriffen. Eine leere Schaukel, der diesige Bodensee, ein bedrohliches Alpenpanorama: Alles super, wenn man denn eine Story hat, die mit einer solchen Bildsprache in Dialog treten kann. Doch leider handelt es sich bei dem eigentlichen Fall um ein völlig abgenudeltes, erschreckend lustlos zusammengebasteltes und bereits tausendmal erzähltes Alle-könnten’s-gewesen-sein-Stückchen. Das ist dann so spannend, wie dieser Tage Bayern-München-Gucken. Allerdings deutlich weniger unterhaltsam.
Das alles in seiner Kombination macht den Tatort unterdurchschnittlich. Richtig schlecht wird er allerdings erst durch diese behämmerten Dialoge, die eins um andere Mal den Zuschauer für völlig meschuge halten. Ständig wird einem etwas erklärt, was man gerade kurz zuvor gesehen hat, oder es werden überflüssige Dialoge benutzt, um noch überflüssige Dinge zu erläutern. Kotzprobe? Gerne!
[box type=“shadow“] Perlmann: „Übrigens ich habe unseren Schweizer Überflieger überprüft. Der war bis vor vier Monaten beim NDB.“Blum: „Beim Schweizer Nachrichtendienst?“
Perlmann: „Ja, das ist so eine Art James Bond für Arme.“
[/box]
Der Gipfel ist dann das absolut peinliche Gespräch, das Frau Blum mit ihrem zu unrecht verurteilten Geiselnehmer in dessen Versteck glauben führen zu müssen. Aus Mangel an Drehbuchideen erörtern die beiden dort im Keller sitzend dem Zuschauer noch einmal ausführlich, wie das damals alles so war, bei der unberechtigten Verurteilung und was sie, die Frau Bluhm und er, der Herr Nussbaum da so früher zueinander gesagt haben. Das ist haarsträubend und fühlt sich zu keiner Sekunde echt an.
Der Bodensee-Tatort war bodenlos. Von 10 möglichen Punkten gibt es einen. Weil die Bilder so schön sind.
/Daniel Bochow
Tatort Bodensee
„Nachtkrapp“
Ansehen (Mediathek)
Regie: Patrick Winczewski
Buch: Melody Kreiss
mit Eva Mattes, Sebastian Bezzel, Roland Koch und Hansa Czypionka
Erstausstrahlung: 07.10.2012